Newsletter 2019/14

Ausgabe:2019/14
Sehr geehrte Damen und Herren, unser heutiger newsletter immobilienrecht informiert Sie über folgende Themen:

Öffentliches Baurecht: Bald Erleichterungen für Dachgeschossausbau?

Der Ausbau von Dachgeschosswohnungen soll künftig erleichtert werden. Der Bundestagsausschuss für Bau, Wohnen und Stadtentwicklung hat kürzlich in einer Anhörung mehrere Sachverständige hierzu befragt. Konkret wird über eine Genehmigungsfreiheit für unproblematische Aufstockungen und finanzielle Förderungen über mehrere Jahre diskutiert. Auch auf Ausgleichsmaßnahmen für Überschreitungen der zulässigen Geschossflächenzahl (GFZ) könnte verzichtet werden. Ferner sollen neue Dachgeschosswohnungen von Stellplatzverpflichtungen befreit werden und weniger strenge Vorschriften nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllen müssen.

Kommentar

Die Expertenanhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen und Stadtentwicklung stellt zunächst einen ersten Aufschlag für ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag dar. Anlass sind zwei Anträge von FDP und B’90/Die Grünen. Welche Maßnahmen letztlich in einem neuen Gesetz beschlossen werden, bleibt noch abzuwarten. Es ist aber mit einem eigenen -dann mehrheitsfähigen- Entwurf von Union und SPD zu rechnen. Selbst in Gemeinden, in denen bisher Dachausbauten wegen der gesetzlichen Bestimmungen und örtlichen Auflagen noch wirtschaftlich unattraktiv waren, könnte es bei Erleichterungen einen Boom dieser Möglichkeit der Nachverdichtung geben.
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Öffentliches Baurecht: Grundstückseigentümer kann keinen Schutz vor Regenwasser verlangen

Ein Grundstückseigentümer hat keinen Anspruch darauf, dass die Gemeinde Maßnahmen zum Schutz seines Grundstücks vor Regenwasser aus dem angrenzenden Außenbereichsgebiet trifft. Zwar ist die Gemeinde verpflichtet, Vorkehrungen gegen das im Plangebiet anfallende Regenwasser zu treffen. Für aus dem Außenbereich zufließendes Wasser ist sie aber nicht verantwortlich. Vielmehr ist es dem Eigentümer zumutbar, selbst Schutzmaßnahmen zu treffen. Vorliegend hatte der Kläger von der Gemeinde verlangt, Aushubarbeiten vorzunehmen, um sein an ein Wasserabflussgebiet grenzendes Grundstück zu schützen. Bei Starkregen befürchtete er Überschwemmungen durch das aus dem höher gelegenen Außenbereich zufließende Wasser. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Weder könne sich der Kläger auf Festsetzungen des Bebauungsplans berufen, noch treffe die Gemeinde eine sonstige Pflicht, den Wasserzufluss zu stoppen.

Kommentar

Für die Inanspruchnahme der Gemeinde kommt es auf die Beschaffenheit des Plangebiets an. Will man gegen die Gemeinde vorgehen, so muss zunächst überhaupt ein Eingriff in die Rechte des Klägers nachgewiesen werden. Bloße, außerhalb des Plangebiets liegende Umweltbedingungen genügen nicht. Es empfiehlt sich daher, sorgfältig zu prüfen, worauf mögliche Schadensursachen beruhen und inwieweit die Gemeinde für diese verantwortlich ist.

Autor: Sergia Antipa, M.M. – antipa@bethge-legal.com

Fundstelle: VG Mainz, Urteil vom 20.03.2019, 3 K 532/18 MZ, becklink 2012926

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Gewerbliches Mietrecht: Schriftform gewahrt!

Der Grundstückserwerber muss bei Vertragsschluss den Mietgegenstand identifizieren und dessen Umfang feststellen können. Die gesetzliche Schriftform für eine Laufzeitbefristung ist nur gewahrt, wenn der Mietgegenstand hinreichend bestimmt ist. Zweifel an dessen exakter Lage sind jedoch dann unerheblich, wenn sie sich anhand des Umfanges der tatsächlichen Nutzung im Rahmen des vorangegangenen Mietverhältnisses beseitigen lassen. Flächendifferenzen bei als ca.-Wert angegebenen Quadratmeterzahlen sind ebenfalls unerheblich, wenn sich die Identifizierung der Mietfläche aus der Bezeichnung der Räume in Verbindung mit der Darstellung in einer Anlage ergibt.

Kommentar

Zu beachten ist, dass das Oberlandesgericht Dresden in seiner Entscheidung die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hatte. Zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform ist es erforderlich, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen hinreichend bestimmt aus der Vertragsurkunde selbst ergeben. Im hiesigen Fall verwies die Vertragsurkunde in einzelnen Teilen auf den vorherigen Mietvertrag, der zur Bestimmbarkeit wesentlicher Vertragsbestandteile herangezogen werden konnte. Derartige Umstände sind nicht immer gegeben, so dass bei neuen Vertragsabschlüssen stets auf die Schriftformerfordernisse geachtet werden sollte.

Autor: Veronika Thormann – thormann@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Dresden, Beschluss vom 26.2.2019, 5 U 1894/18, BeckRS 2019, 4672

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Grundstücksrecht: Andienungspflicht oder Vorkaufsrecht?

Wird in einem Kaufvertrag über ein Mehrfamilienhaus vereinbart, dass im Falle der Veräußerung den Mietern das Recht zustehen soll, den Mietgegenstand „vorzugsweise“ zu erwerben, wird damit nicht automatisch ein Vorkaufsrecht begründet. Vielmehr kann darin auch die Übernahme einer Andienungspflicht des Erwerbers zugunsten der jeweiligen Mieter zu sehen sein. Bei der Andienungspflicht, auch Vorrechtsvertrag genannt, handelt es sich um eine Vereinbarung, in der der Vorrechtsgeber sich verpflichtet, einen bestimmten Gegenstand für den Fall der Veräußerung zunächst dem Vorberechtigten anzubieten. Was genau vereinbart wurde, ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln.

Kommentar

Vorkaufsrechte geben dem Vorkaufsberechtigten die Möglichkeit, in den mit einem Erwerber abgeschlossenen Kaufvertrag einzutreten. Demgegenüber sehen Andienungspflichten regelmäßig vor, dass der Verpflichtete bereits vor Abschluss von Verträgen mit Dritten den Kaufgegenstand dem Vorerwerbsberechtigten anzudienen hat. Nur für den Fall, dass der Berechtigte das Angebot ausschlägt oder die im Vertrag vorgesehene Angebotsfrist verstreichen lässt, kann der zur Andienung Verpflichtete über seinen Anteil gegen eine dem Angebotspreis entsprechende oder darüber hinausgehende Gegenleistung verfügen. Um Unsicherheiten zu vermeiden, ist den Parteien zu empfehlen, die Rechte und Pflichte klar zu bezeichnen.

Autor: Bettina Baumgarten – baumgarten@bethge-legal.com

Fundstelle: KG, Urteil vom 18.04.2019, 18 U 15/19, IBRRS 2019, 1527

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Newsletter 2019/13

Ausgabe:2019/13
Sehr geehrte Damen und Herren, unser heutiger newsletter immobilienrecht informiert Sie über folgende Themen:

Bau- und Architektenrecht: Barzahlung spricht für Steuerhinterziehung!

Wird vor Ausführung der Bauarbeiten ein Betrag von mehreren tausend Euro vom Auftraggeber an den Auftragnehmer bar und ohne Rechnung oder Quittung gezahlt, spricht dies für die Annahme, dass mit Billigung des Auftraggebers die Summe nicht versteuert werden sollte. Maßgeblich für diese Ansicht sei, so das Gericht, dass der Auftraggeber nicht auf einer vollständigen Rechnung bestanden habe, die auch die Barzahlung nebst Umsatzsteuerbetrag ausweise. Der Umstand, dass die Barzahlung quittiert worden sei, beseitige nicht den Zweck einer Schwarzgeldzahlung. Auch wenn Barzahlungen rechtlich zulässig sind, spricht die Tatsache, dass eine Quittung weder einen Mehrwertsteueranteil noch einen Betreff aufweist, für eine Schwarzgeldabrede. Sie ist nämlich zur Dokumentation gegenüber Behörden und Finanzämtern ungeeignet. Der einzige Zweck dieser besteht darin, dass im Streitfall überhaupt eine Zahlung nachgewiesen werden kann.

Kommentar

Ein weitere spannende Entscheidung, die sich mit der Schwarzarbeit-Thematik beschäftigt. Das Gericht macht deutlich, dass durch die Vorlage einer Quittung die Vermutung einer Schwarzgeldabrede nicht widerlegt werden kann. Auch dann nicht, wenn die Zahlung nachträglich ordnungsgemäß verbucht wird. Die Rechtsprechung setzt ihre konsequente Linie erfreulicherweise fort. Schwarzarbeit wird auch durch “kosmetische Tricks” nicht legalisiert.

Autor: Felix Semper – semper@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Schleswig, Beschluss vom 07.01.2019, 7 U 103/18, IBRRS 2019, 1554

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Grundstücksrecht: Der Preis für billiges Bauland

Wird verbilligtes Bauland durch die Gemeinde an einen privaten Käufer verkauft, kann sich diese im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages ein Wiederkaufsrecht einräumen lassen. Das ist das Recht, das Bauland innerhalb einer bestimmten Frist im Falle einer Weiterveräußerung zurückzukaufen. Eine Bindung von 30 Jahren sei jedoch nur bei einem besonders hohen Preisnachlass oder bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände angemessen. Nicht ausreichend sei jedoch die Gewährung eines Nachlasses in Höhe von 29 % gegenüber dem Verkehrswert des Grundstücks, so der Bundesgerichtshof.

Kommentar

Gemeinden, die zur Förderung städtebaulicher Ziele Grundstücke verkaufen, sind verpflichtet, für die Sicherung des verfolgten Ziels Sorge zu tragen. Sie müssen sicherstellen, dass die Käufer nicht dadurch Gewinne erzielen, dass sie das verbilligte Bauland zum Verkehrswert weiterveräußern. Die Vereinbarung eines Wiederkaufrechts ist daher grundsätzlich das geeignete Instrument und schafft gerade erst die Voraussetzung, überhaupt preisgünstig Bauland zu vergeben, urteilte der BGH bereits in einer vorherigen Entscheidung, auf welche Bezug genommen wurde.

Autor: Nils Flaßhoff – flasshoff@bethge-legal.com

Fundstelle: BGH, Urteil vom 15.02.2019, V ZR 77/18, IBRRS 2019, 1740

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Gewerbliches Mietrecht: Empfindliche Verletzung der Gegenrechte unzulässig!

Eine Allgemeine Geschäftsbedingung in einem gewerblichen Mietvertrag, nach der die Aufrechnung nur mit solchen Forderungen zulässig sein soll, die vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig festgestellt worden sind, ist unwirksam. Denn sie muss dahin ausgelegt werden, dass die Aufrechnung auch mit unbestrittenen Gegenforderungen einseitig und nach Belieben des Vermieters versagt werden kann. Die Folge ist eine unzulässige Beschneidung der Aufrechnungsbefugnis des Mieters und deshalb wegen § 307 BGB als Ausformung eines Benachteiligungsverbotes unzulässig.

Kommentar

Unzulässig ist es darüber hinaus auch, die Mieterrechte auf „Forderungen aus dem Mietverhältnis“ zu beschränken (BGH, Urteil vom 06.04.2016 – XII ZR 29/15). Denn im Umkehrschluss führt die Ausnahme für unbestrittene und rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen „aus dem Mietverhältnis“ dazu, dass bei nicht aus dem Mietverhältnis stammenden Forderungen ein uneingeschränktes Aufrechnungsverbot besteht. Diese Verkürzung der Gegenrechte benachteiligt den Mieter entgegen dem Grundsatz von Treu und Glaube unangemessen und ist daher unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

Autor: Frank U. Schuster – schuster@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 19.02.2019, 3 U 59/17, IMR 2019 241

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Wohnraummietrecht: Keine Mietminderung bei verweigerter Mangelbeseitigung

Verweigert der Mieter die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, ist er zu einer weiteren Minderung nicht mehr berechtigt, ein bestehendes Zurückbehaltungsrecht entfällt. Selbst ein Interesse am Erhalt des mangelhaften Zustands aus Gründen der „Beweissicherung“ rechtfertigt die Weigerung nicht. Im vorliegenden Fall hatte der Mieter die Miete über einen mehrjährigen Zeitraum wegen diverser Mängel gemindert und zukünftige Mietzahlungen einbehalten. Da noch ein Verfahren gegen einen früheren Vermieter anhängig war, weigerte er sich, die Mängelbeseitigung durch den neuen Vermieter zu dulden, um „keine Beweise zu vernichten“. Dadurch sei er in Verzug geraten und eine Kündigung des Vermieters sei wirksam.

Kommentar

Das Zurückbehaltungsrecht des Mieters ermöglicht diesem, die zukünftige Miete bis zur Beseitigung der Mängel ganz oder zum Teil einzubehalten. Werden die Mängel beseitigt, ist der Mieter – anders als bei der Mietminderung – zur Nachzahlung des einbehaltenen Betrages verpflichtet. Das Zurückbehaltungsrecht ist daher ein Druckmittel für den Mieter, um den Vermieter zur Mängelbeseitigung anzuhalten. Verweigert der Mieter jedoch die Mängelbeseitigung, entfällt das Zurückbehaltungsrecht und die einbehaltenen Beträge sind sofort nachzuzahlen. Eine weitere Mietminderung ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.

Autor: Dorothee Klumpe – klumpe@bethge-legal.com

Fundstelle: BGH, Urteil vom 10.04.2019, VIII ZR 12/18, IMR 2019, 2795

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Newsletter 2019/12

Ausgabe:2019/12
Sehr geehrte Damen und Herren, unser heutiger newsletter immobilienrecht informiert Sie über folgende Themen:

Maklerrecht: Abschluss des Maklervertrages durch einen Vertreter

Lässt sich eine Kaufinteressentin ohne Kenntnis ihres Lebensgefährten und auf eigene Initiative ein Exposé zusenden, kommt ein Maklervertrag mit dem Lebensgefährten nicht zustande, sofern dieser das Exposé selbst nie erhält und von dessen Inhalt keine Kenntnis erlangt. Im konkreten Fall verlangte der Makler von dem beklagten Lebensgefährten, der das angebotene Objekt gekauft hat, eine Provisionszahlung. Das Landgericht Hamburg wies den Anspruch ab. Der Makler konnte nach der Aussage der Lebensgefährtin nicht beweisen, dass der Beklagte diese zum Abschluss eines Maklervertrages bevollmächtigt hatte. Ebenso wenig gelang ihm der Beweis, dass der Beklagte das Exposé mit dem Provisionshinweis erhalten hat.

Kommentar

An das Zustandekommen eines Maklervertrages sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs strenge Anforderungen zu stellen. Dieser Linie folgt auch das Landgericht Hamburg mit seiner Entscheidung. Im Sinne eines eindeutigen Provisionsverlangens ist es Aufgabe des Maklers, deutlich zu machen, ob und von wem er eine Provisionszahlung erhalten möchte. Tritt ein Vertreter auf, sollte sich der Makler -gerade bei sog. konkludenten Vertragsabschlüssen- vorsichtshalber die Provision noch einmal vom Vertretenen bestätigen lassen.

Autor: Veronika Thormann – thormann@bethge-legal.com

Fundstelle: LG Hamburg, Urteil vom 30.11.2018, 316 O 81/16, IBRRS 2019, 0877

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Handels- und Gesellschaftsrecht: Keine Analogie für die GmbH

Die Regelung aus dem Aktiengesetz, wonach es bei der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf, welcher notariell zu beurkunden ist, ist nicht analog auf eine GmbH anwendbar, so der BGH. Sinn und Zweck dieser Regelung ist der Schutz der Aktionäre davor, dass der Gesellschaft die Geschäftsgrundlage entzogen wird, ohne dass diese Einfluss darauf haben. Der BGH lehnt eine Analogie, also eine Anwendung auf einen ähnlichen, ungeregelten Tatbestand, im Rahmen der GmbH ab. Es handele sich bei dieser Regelung um kein verallgemeinerungsfähiges gesellschaftsrechtliches Prinzip. Die Gesellschafter seien nicht in gleichem Maße schutzbedürftig, sind sie doch mit weitergehenden Mitspracherechten ausgestattet. Überdies kollidiere die im Außenverhältnis unbeschränkte Vertretungsmacht der Geschäftsführer mit einer solchen Regelung. Gleichzeitig betont der BGH jedoch, dass die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ein besonders bedeutsames Geschäft darstellt, zu dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen muss.

Kommentar

Dieses Urteil beseitigt nicht nur die Unsicherheiten, ob ein solcher Beschluss zu fassen und zu beurkunden ist; auch entfallen die nicht unwesentlichen Kosten, die durch die Beurkundung der Beschlüsse entstanden sind.

Autor: Nils Flaßhoff – flasshoff@bethge-legal.com

Fundstelle: BGH, Urteil vom 08.01.2019, II Zr 364/18 – www.bundesgerichtshof.de

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Bau- und Architektenrecht: Architekt haftet für Fehler des Vermessungsingenieurs

Berechnet ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur die Grundflächenzahl fehlerhaft, haftet er dafür nicht selbst, wenn dem Bauherrn eine andere Ersatzmöglichkeit offensteht. Kommen Schadenersatzansprüche gegen den Architekten in Betracht, so haftet dieser vorrangig. Vorliegend war den Klägern die Nutzung eines Doppelhauses untersagt worden. Sie klagten daraufhin wegen der fehlerhaften Grundflächenzahl, die der Bauplanung zugrunde lag, sowohl gegen den Vermessungsingenieur als auch gegen den Architekten auf Schadensersatz. Den Fehler des Vermessungsingenieurs bei der Erstellung des Lageplans hätte der Architekt erkennen müssen, entschied das Oberlandesgericht. Grundsätzlich schulde er eine genehmigungsfähige Bauplanung. Daher könne zumindest erwartet werden, dass er die Grundflächenzahl nochmals rechnerisch überprüft.

Kommentar

Die nachrangige Haftung des Vermessungsingenieurs gründet darauf, dass der Bauherr Ansprüche gegen den Architekten geltend machen kann. Denn als Amtswalter übt der Vermessungsingenieur bei der Erstellung des Lageplans hoheitliche Tätigkeiten aus. Eine Haftung für fahrlässige Fehler ist in einem solchen Fall nur dann vorgesehen, wenn der Geschädigte sonst keinen Schadensersatz verlangen kann. Anders läge der Fall, wenn zweifelhaft wäre, ob der Bauherr seine Forderungen gegen den Architekten nicht in absehbarer Zeit durchsetzen könnte.

Autor: Dorothee Klumpe – klumpe@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 07.03.2019, 12 U 157/17, BeckRS 2019, 4953

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Bau- und Architektenrecht: Wie werden „Nullpositionen“ abgerechnet?

Verzichtet der Auftraggeber nach Auftragserteilung gegenüber dem Auftragnehmer einseitig auf die Ausführung einzelner Positionen, ist wie bei einer Teilkündigung und nicht wie bei einer Leistungsänderung abzurechnen. Dem Auftragnehmer steht daher die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Bei einem Einheitspreisvertrag gemäß den Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) über Metallbauarbeiten ließ der Auftraggeber einseitig zwei Einzelleistungen aus dem Leistungsverzeichnis nicht ausführen. Der Auftragnehmer berechnete für diese entfallenen Arbeiten entgangenen Gewinn. Im Zuge der Abrechnung streiten die Parteien, ob diese zwei „Nullpositionen“ aus dem Leistungsverzeichnis wie eine Leistungsänderung oder wie eine Teilkündigung abzurechnen sind. Zwar lässt das Gericht die Frage offen, ob die zwei Einzelleistungen tatsächlich (teil-)gekündigt wurden. Jedoch stellt es fest, dass solche „Nullpositionen“ nicht wie Leistungsänderungen, sondern wie Teilkündigungen abzurechnen sind.

Kommentar

Die Abrechnung von sog. „Nullpositionen“ ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Eine Ansicht sieht in dem einseitigen Verzicht des Auftraggebers auf Einzelleistungen eine Mengenminderung und bevorzugt daher eine Abrechnung über die Vorschriften zur Leistungsänderung. Die Gegenansicht zieht zur Abrechnung stattdessen die Vorschriften zur (Teil-)Kündigung heran. Je nach Fall kann zugunsten der einen oder anderen Seite argumentiert werden. Um dem vorzubeugen und Unstimmigkeiten im Rahmen der Abrechnung zu vermeiden, ist der Auftraggeber gut beraten, bei einem Entfall wirtschaftlich bedeutender Einzelpositionen mit dem Auftragnehmer eine klarstellende separate Vereinbarung zu treffen.

Autor: Philipp Wegner – wegner@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 02.04.2019, 28 U 413/19 Bau, IBRRS 2019, 1274

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Datenschutz: Jahr 1 nach der Datenschutzgrundverordnung

Die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union, kurz DSGVO, ist seit knapp einem Jahr in Kraft. Obwohl sie lange vor Inkrafttreten bekannt war, waren zu diesem Zeitpunkt viele Fragen ungeklärt und die Einführung in Unternehmen verlief nicht überall reibungslos. Teilweise bestehen selbst heute noch Unsicherheiten im Umgang mit der DSGVO und dem auf ihrer Grundlage geänderten Bundesdatenschutzgesetz sowie den verschiedenen Landesdatenschutzgesetzen. Unseres Erachtens bestehen für Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema Datenschutz aber keine Entschuldigungen mehr. Wir empfehlen daher Lücken bei der Anwendung der DSGVO spätestens jetzt zu schließen. Im Falle eines Verstoßes drohen Reputationsverluste und Bußgelder. Das bisher höchste Bußgeld – 50 Millionen Euro – hat die französische Datenschutzbehörde gegen Google erlassen. Ihrer Ansicht nach informierte das Unternehmen seine Nutzer nicht „klar und verständlich“ über die Verwendung persönlicher Daten. In Deutschland wurden bislang Strafen in einer Gesamthöhe von ca. 450.000 Euro verhängt. Die zuständigen Datenschützer bemängelten auch hier häufig mangelnde Transparenz und unzureichende Aufklärung. Etliche Unternehmen reagierten auf die DSGVO anfangs vor allem mit der Einholung zahlreicher Einwilligungserklärungen. Dass diese allein nicht ausreichen, verdeutlichen erste gerichtliche Entscheidungen. Verzeichnisse aller Verarbeitungstätigkeiten, interne Datenschutzrichtlinien und technische sowie organisatorische Anforderungen an die Datensicherheit und -sparsamkeit sind erforderlich, um Bußgelder zu verhindern oder zumindest im Falle eines Verstoßes gering zu halten.

Praxistipp

In der Immobilienwirtschaft ist die DSGVO beinahe zu 100 Prozent anzuwenden. Mieterdaten, Asset- und Facility Management sowie der Datenschutz im Rahmen von Due Diligence-Prüfungen sind nur einige der Berührungspunkte mit personenbezogenen Daten und damit der DSGVO. Zum einen müssen die formellen Vorgaben der DSGVO umgesetzt sein, zum Beispiel muss ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten gepflegt werden. Zum anderen sollten nicht nur Führungskräfte, sondern auch Mitarbeiter im Hinblick auf die Datenschutzanforderungen geschult werden, um Fehler zu vermeiden. Schließlich ist beinahe jede Verarbeitung personenbezogener Daten vom Anwendungsbereich der DSGVO erfasst.
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Newsletter 2019/10

Ausgabe:2019/10
Sehr geehrte Damen und Herren, unser heutiger newsletter immobilienrecht informiert Sie über folgende Themen:

Gewerbliches Mietrecht: Kanzlei muss umfangreiche Umbauarbeiten nicht dulden

Eine Anwaltskanzlei muss in einem bestehenden Mietverhältnis als Mieterin von Büroräumlichkeiten keine umfangreichen Umbaumaßnahmen dulden. Dies gilt zumindest, wenn die Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Erschütterungen über solche Renovierungsarbeiten hinausgehen, die üblicherweise bei Mieterwechseln zu erwarten sind. Im vorliegenden Fall hatte eine Kanzlei eine einstweilige Verfügung gegen begonnene Abbrucharbeiten im selben Gebäude ihrer Mieträume erwirkt, weil die Rechtsanwälte durch die Umbauarbeiten zu stark in ihrer Arbeit gestört wurden. Das Gericht gab der Kanzlei recht. Die Abbrucharbeiten stünden der ungestörten Durchführung der mit einem Rechtsanwaltsbüro verbundenen geistig-gedanklichen Tätigkeiten wie Aktenstudium, Recherche, Fertigen von Schriftsätzen, Urkunden oder Mandantengesprächen entgegen. Die Arbeiten dienten nicht der Verbesserung oder Erhaltung der Mietsache, sondern seien nur auf eine Änderung des Nutzungszwecks des Gebäudes ausgelegt. Eine Duldungspflicht für derartige Maßnahmen treffe den Mieter vor Ende des Mietverhältnisses gerade nicht.

Kommentar

Das Urteil konkretisiert die Duldungspflichten des Mieters und beschränkt damit die Handlungsmöglichkeiten des Eigentümers/ Vermieters. Entscheidend kommt es danach für einen Unterlassungsanspruch gegen den Vermieter auf die Zweckbestimmung der Umbauarbeiten an. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Umbaumaßnahmen zu einer objektiven Wertsteigerung der Mietsache führten.

Autor: Sergia Antipa, M.M. – antipa@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.03.2019, 2 U 3/19, becklink 2012643

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Gewerbliches Mietrecht: Wann endet eine Untervermietung?

Ein Wechsel des Hauptmieters berührt ein bestehendes Untermietverhältnis grundsätzlich nicht. Im konkreten Fall war der Betreiber eines Lebensmittelgeschäfts durch dreiseitige Vereinbarung in ein bestehendes Mietverhältnis über eine Gewerbefläche zwischen dem Eigentümer und einem anderen Vormieter eingetreten, nachdem Letzterer ausgeschieden war. In der Ladenfläche befand sich ein Geldautomat, über den der Vormieter einen Untermietvertrag mit der beklagten Firma geschlossen hatte. Danach war diese zur Aufstellung und zum Betrieb des Automaten gegen Zahlung eines Entgelts an den Vormieter berechtigt. Der neue Mieter lehnte eine Übernahme dieses Mietvertrags ab und klagte gegen das Unternehmen auf Beseitigung des Automaten. Ein solcher Anspruch steht ihm jedoch nicht zu, da der Eintritt des neuen Mieters in das Hauptmietverhältnis keine Auswirkung auf den bestehenden Untermietvertrag hat. Der neue Mieter ist weder automatisch, noch durch Vertrag in den Mietvertrag eingetreten. Das Untermietverhältnis endet regelmäßig auch dann nicht automatisch, wenn der Hauptmietvertrag ausläuft oder durch Kündigung beendet wird. Selbst wenn der Vormieter das Untermietverhältnis wirksam gekündigt hätte, könne nur der Vormieter die Beseitigung verlangen.

Kommentar

Das Landgericht schließt eine Kündigung des Untermietverhältnisses durch Kündigung des Hauptmietverhältnisses bei entsprechender Information des Untermieters nicht per se aus. Ein automatischer Übergang des Untermietverhältnisses auf den neuen Mieter durch Eintritt in den Hauptmietvertrag, wie etwa auf Vermieterseite beim Kauf eines Mietshauses, ist hingegen nicht möglich, da das Gesetz einen solchen Übergang eines Vertragsverhältnisses nicht kennt.

Autor: Simone Engel – engel@bethge-legal.com

Fundstelle: LG Berlin, Urteil vom 03.12.2018, 37 O 123/18, BeckRS 2018, 35845

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Maklerrecht: Schadensersatz aufgrund Pflichtverletzung beim Makleralleinauftrag

Im Rahmen eines Makleralleinauftrags treffen den Makler gesteigerte Pflichten, für deren Verletzung er haftet. Eine Pflichtwidrigkeit liegt vor, wenn der Makler keine ausreichenden Vermarktungsbemühungen unternimmt, ein Kaufangebot falsch darstellt oder das Kaufangebot eines Interessenten verschweigt. Hat der Makler selbst Kaufinteresse, darf er anderen Interessenten keine überhöhten Preisvorstellungen des Verkäufers nennen, um sie von der Abgabe eines Kaufangebots abzuhalten. Wird aufgrund eines solchen Verhaltens des Maklers die Immobilie unter Wert an diesen verkauft, hat der geschädigte Verkäufer u.a. Schadensersatzansprüche.

Kommentar

Eine provisionsauslösende Maklertätigkeit liegt nur in einem sog. Dreierverhältnis vor. Kauft der Makler das von ihm zu vermittelnde Objekt selbst, so weist er keinen „Dritten“ nach und kann bereits keine Provision verlangen. Es besteht auch ein Interessenkonflikt, weil er andere Interessenten von der Abgabe von Kaufangeboten abhalten könnte. Zwar ist ein Makler nach dem Leitbild des Gesetzes grundsätzlich nicht verpflichtet, für seinen Auftraggeber auch tatsächlich tätig zu werden. Anders liegt es jedoch bei dem sog. Makleralleinauftrag. Hier besteht die Verpflichtung, Vermarktungstätigkeiten im Sinne des Auftraggebers zu entfalten. Möchte der Makler das Objekt selbst erwerben, sollte er von dem gleichzeitigen Abschluss eines Maklervertrages Abstand nehmen.

Autor: Veronika Thormann – thormann@bethge-legal.com

Fundstelle: BGH, Urteil vom 24.01.2019, I ZR 160/17, IBRRS 2019, 0640

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Öffentliches Baurecht: Kinderlärm als schädliche Umwelteinwirkung?

Der von einer Kindertagesstätte ausgehende Lärm stellt keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des Bundesimmissionsschutzrechtes dar. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere auch der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, denn die Errichtung einer Kindertagesstätte dient unmittelbar den Bedürfnissen der Einwohner eines Wohngebietes. Weder ein angrenzendes Elterncafé noch der durch das Bringen und Abholen der Kinder verursachte Verkehrslärm sind als solche schädliche Umwelteinwirkungen und daher regelmäßig von den Nachbarn hinzunehmen.

Kommentar

Der Bedarf an Kindertagesstätten ist hoch. Gerade für berufstätige Eltern ist die Betreuung  ihrer Kinder tagsüber essentiell. Vor allem in Wohngebieten, in denen sich Kindertagesstätten für gewöhnlich aufgrund der Nähe zum Wohnort und der verkehrsberuhigten Lage ansiedeln, ist daher auf die Bedürfnisse von Familien Rücksicht zu nehmen. Kinder sind schließlich für die ganze Gesellschaft eine große Bereicherung.

Autor: Felix Semper – semper@bethge-legal.com

Fundstelle: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.02.2019, 1 MB 1/19, IBRRS 2019,0693

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