Bauhaftungsrecht: Lässt sich die Verkehrssicherungspflicht beiseite fegen?
Die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers erstreckt sich auch auf die Kontrolle ordnungsgemäßer Reinigungsarbeiten nach Beendigung einer Baustelle. Im konkreten Fall wurde die Fahrbahndecke einer Landstraße erneuert. Als ein Motorrollerfahrer von dieser Landstraße in eine Gemeindestraße abbiegen wollte, rutschte er im Einmündungsbereich der Gemeindestraße aus und zog sich Verletzungen zu, die Behandlungskosten von ca. 5.500 € verursachten. Ursächlich für den Sturz war Rollsplitt, der bei Reinigungsarbeiten in den Einmündungsbereich der Gemeindestraße gefegt wurde. Die Versicherung des Geschädigten nahm das Land als Straßenbaulastträger der Landstraße erfolgreich auf Zahlung der Behandlungskosten in Anspruch.
Kommentar
Das Gericht führt aus, dass das Land seine Kontroll- und Überwachungspflichten bei den Reinigungsarbeiten verletzt habe. Als Träger der Straßenbaulast und Veranlasser der Bauarbeiten liegt es auch in der Verantwortung des Landes zu kontrollieren, ob es bei den Reinigungsarbeiten zu Beeinträchtigungen anderer Straßen gekommen ist. Diese Verantwortung trifft das Land selbst für Straßen, für die es eigentlich nicht zuständig ist, da es nur um die Kontrolle der Arbeiten der Baufirma geht, und nicht um die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht einer Gemeindestraße.
Ihr Nils Flaßhoff
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Fundstelle: OLG Schleswig, Urteil vom 26.11.2020, 7 U 61/20
Privates Baurecht: Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag – Lieferung und Montage eines Treppenlifts
Ein Vertrag, in dem die Lieferung und Montage eines Treppenlifts vereinbart wird, ist ein Werklieferungsvertrag und kein Werkvertrag. Konkret vereinbarten die Parteien die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts für eine Wendeltreppe mit einer individuell angefertigten Schiene. Nach Ansicht des Gerichts lag der Schwerpunkt des Vertrages in der Lieferung des Treppenlifts, also der Übertragung des Eigentums und Besitzes. Ein über die bloße technische Herstellung des Treppenlifts hinausgehender Gesamterfolg stand dagegen nicht im Vordergrund des Vertrages. Die individuell angefertigte Schiene ändere nichts, weil diese lediglich auf Grundlage von Lichtbildern durch ein Softwareprogramm erstellt wurde und den standardisierten Treppenlift lediglich der Einbausituation anpasste. Das Gericht stufte den Vertrag daher als Werklieferungsvertrag ein.
Kommentar
Maßgebliches Kriterium bei der Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen zu Werkverträgen ist der Schwerpunkt der geschuldeten Leistungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Ein Werkvertrag wird angenommen, wenn der Schwerpunkt in der Herstellung eines Werkes liegt. Ist der Schwerpunkt des Vertrages dagegen die Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Das Gericht wies in Abgrenzung zu einer Entscheidung des BGH (Urteil v. 30.08.2018 – VII ZR 243/17) darauf hin, dass der Einbau eines Treppenlifts nicht mit der Planung und Errichtung eines den örtlichen Verhältnissen angepassten Senkrechtlifts an der Außenfassade vergleichbar ist, für den der BGH einen Werkvertrag angenommen hatte.
Ihr Philipp Wegner
T: +49 511 3608614
M: +49 173 7594342
E: wegner@bethge-legal.com
Fundstelle: LG München II, Urteil vom 01.10.2020, 1 O 862/19