Kann sich ein Bauträger der Verkehrssicherungsplicht entziehen?

Ist die Lieferung und Montage eines Treppenlifts ein Werkvertrag?

Bauhaftungsrecht: Lässt sich die Verkehrssicherungspflicht beiseite fegen?

Die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers erstreckt sich auch auf die Kontrolle ordnungsgemäßer Reinigungsarbeiten nach Beendigung einer Baustelle. Im konkreten Fall wurde die Fahrbahndecke einer Landstraße erneuert. Als ein Motorrollerfahrer von dieser Landstraße in eine Gemeindestraße abbiegen wollte, rutschte er im Einmündungsbereich der Gemeindestraße aus und zog sich Verletzungen zu, die Behandlungskosten von ca. 5.500 € verursachten. Ursächlich für den Sturz war Rollsplitt, der bei Reinigungsarbeiten in den Einmündungsbereich der Gemeindestraße gefegt wurde. Die Versicherung des Geschädigten nahm das Land als Straßenbaulastträger der Landstraße erfolgreich auf Zahlung der Behandlungskosten in Anspruch.

Kommentar

Das Gericht führt aus, dass das Land seine Kontroll- und Überwachungspflichten bei den Reinigungsarbeiten verletzt habe. Als Träger der Straßenbaulast und Veranlasser der Bauarbeiten liegt es auch in der Verantwortung des Landes zu kontrollieren, ob es bei den Reinigungsarbeiten zu Beeinträchtigungen anderer Straßen gekommen ist. Diese Verantwortung trifft das Land selbst für Straßen, für die es eigentlich nicht zuständig ist, da es nur um die Kontrolle der Arbeiten der Baufirma geht, und nicht um die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht einer Gemeindestraße.

Ihr Nils Flaßhoff

 

 

 

 

 

 

 

Nils Flaßhoff

T: +49 511 3608672

M: +49 173 6825868

E: flasshoff@bethge-legal.com

 

Fundstelle: OLG Schleswig, Urteil vom 26.11.2020, 7 U 61/20

 


 

Privates Baurecht: Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag – Lieferung und Montage eines Treppenlifts

Ein Vertrag, in dem die Lieferung und Montage eines Treppenlifts vereinbart wird, ist ein Werklieferungsvertrag und kein Werkvertrag. Konkret vereinbarten die Parteien die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts für eine Wendeltreppe mit einer individuell angefertigten Schiene. Nach Ansicht des Gerichts lag der Schwerpunkt des Vertrages in der Lieferung des Treppenlifts, also der Übertragung des Eigentums und Besitzes. Ein über die bloße technische Herstellung des Treppenlifts hinausgehender Gesamterfolg stand dagegen nicht im Vordergrund des Vertrages. Die individuell angefertigte Schiene ändere nichts, weil diese lediglich auf Grundlage von Lichtbildern durch ein Softwareprogramm erstellt wurde und den standardisierten Treppenlift lediglich der Einbausituation anpasste. Das Gericht stufte den Vertrag daher als Werklieferungsvertrag ein.

Kommentar

Maßgebliches Kriterium bei der Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen zu Werkverträgen ist der Schwerpunkt der geschuldeten Leistungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung. Ein Werkvertrag wird angenommen, wenn der Schwerpunkt in der Herstellung eines Werkes liegt. Ist der Schwerpunkt des Vertrages dagegen die Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Das Gericht wies in Abgrenzung zu einer Entscheidung des BGH (Urteil v. 30.08.2018 – VII ZR 243/17) darauf hin, dass der Einbau eines Treppenlifts nicht mit der Planung und Errichtung eines den örtlichen Verhältnissen angepassten Senkrechtlifts an der Außenfassade vergleichbar ist, für den der BGH einen Werkvertrag angenommen hatte.

Ihr Philipp Wegner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Philipp Wegner

T: +49 511 3608614

M: +49 173 7594342

E: wegner@bethge-legal.com

 

Fundstelle: LG München II, Urteil vom 01.10.2020, 1 O 862/19

Share-Deal Reform seit 01.07.21 in Kraft!

Immobilieninvestoren können keine Grunderwerbsteuer mehr einsparen.

Immobilieninvestoren konnten bei Erwerb einer Immobilie die Grunderwerbsteuer einsparen, indem sie Anteile an einer Immobilien- Gesellschaft erwarben. Dies setzte bisher voraus, dass der Käufer im Rahmen eines Share-Deals (d.h. im Rahmen eines Kaufs der Anteile einer Gesellschaft) nicht mehr als 94,9% der Gesellschaft erwirbt. Die übrigen Anteile verblieben beim Verkäufer oder wurden von einem weiteren Investor übernommen. Nach Ablauf einer Haltefrist von bisher fünf Jahren, konnte der Käufer die restlichen 5,1% der Gesellschaft erwerben, auf welche dann Grunderwerbsteuer zu zahlen war.

Die Bundesregierung hat bereits am 31.07.2019 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen. Nach erheblichen Einwänden aus Wissenschaft und Wirtschaft wurde das Vorhaben auf das erste Halbjahr 2020 verschoben. Seit dem ist nichts passiert.

Der Finanzausschuss des Bundestages hat nun mit Stimmen der Großen Koalition die Share-Deal-Reform beschlossen. Diese wurde am 21.04.2021 vom Bundestag als Gesetz verabschiedet und wird bereits zum 01.07. dieses Jahres in Kraft treten. Im Wesentlichen soll danach die Grunderwerbsteuer auslösende Beteiligungsgrenze von 95% auf 90% gesenkt werden und die Haltefristen auf zehn bzw. 15 Jahre verlängert werden.

Zudem wurde die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands zur Erfassung von Anteilseignerwechseln in Höhe von mindestens 90 % bei Kapitalgesellschaften beschlossen.

Eine Rückwirkung des Gesetzes auf bereits abgeschlossene Anteilsübertragungen ist nicht zu erwarten. Denn bereits in dem ursprünglichen Gesetzentwurf waren Übergangsregelungen vorgesehen, die auf Konsens innerhalb der Großen Koalition fußten.

Eine Börsenklausel soll sicherstellen, dass Aktienhandel an der Börse nicht beiläufig die Steuer auslöst. Problematisch dabei ist, dass nicht alle Börsenplätze erfasst sind und die Klausel nicht bei mittelbaren Anteilsübertragungen nicht greift.

Kommentar unseres Steuerexperten Johann Wedemeier

Die Koalition hat sich über die zuvor geäußerte massive Kritik am Gesetzentwurf aus Wissenschaft und Wirtschaft weitgehend hinweggesetzt.

Nach Ansicht vieler Experten ist das Gesetz nicht geeignet, Share-Deals zur Umgehung von Grunderwerbsteuer tatsächlich zu verhindern. Denn Investoren werden geneigt sein, Geschäftspartner und Co-Investoren zu finden, die nicht mehr 5,1%, sondern dann 10,1% der Anteile halten. Auch kommt es zu einer Verschärfung für solche Share-Deals, bei denen es nicht vorrangig um Immobilienübertragungen geht. So wird beispielweise nicht unterschieden, ob ein Unternehmen eine reine Grundstücksgesellschaft ist oder operativ tätig ist und welchen Anteil am Unternehmensvermögen das Eigentum an Immobilien ausmacht.

Die Verlängerung der Haltefristen auf 10 bzw. 15 Jahre wird z.T. als verfassungswidrig eingeschätzt, da eine effektive Überwachung von Anteilseignerwechseln bei großen Publikumsgesellschaften während solcher Zeiträume kaum noch möglich ist. Es droht ein gleichheitswidriges „strukturelles Vollzugsdefizit“, weil die Finanzämter mit dem entstehenden Verwaltungsaufwand überfordert sein dürften.

Höchst fraglich ist auch, ob eine Bevorzugung börsennotierter Kapitalgesellschaften gegenüber nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) bestand haben kann.

Die Immobilienwirtschaft hatte kritisiert, dass zusätzliche Belastungen mit Grunderwerbsteuer Projektentwicklungen beeinträchtigen und das Bemühen erschweren, mehr Wohnraum zu bauen.

Mit dem neuen Gesetz hat es die Große Koalition auch unterlassen, den (Erst-)Erwerb einer Privatwohnung von der Grunderwerbsteuer (bis zu 6,5%) zu befreien oder zumindest mit bestimmten Freibeträgen zu entlasten. Dies könnte offenbaren, worum es ihr tatsächlich geht: Jedenfalls nicht um mehr Steuergerechtigkeit.

Ihr Johann Wedemeier

 

 

Johann Wedemeier

T: +49 511 3608616

M: +49 171 6880291

E: wedemeier@bethge-legal.com

 

 

 

Beschlussempfehlung und Bericht:https://dserver.bundestag.de/btd/19/285/1928528.pdf