F.A.Z.-Rechteck vom 23. Dezember 2022

Die heutigen Themen:

1.) Behörde muss Ermessen gleichmäßig ausüben                            

2.) Kann der Nachbar gegen Befreiungen vorgehen?                   

3.) Neue WEG haftet nicht für frühere WEG               

4.) Voraussetzungen eines Bedenkenhinweises           

 

 

Behörde muss Ermessen gleichmäßig ausüben           

Ergreift die Bauaufsichtsbehörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, muss sie in vergleichbaren Fällen in der gleichen Weise verfahren. Dazu gehört, dass sie bei Ermessensentscheidungen über die Anordnung der Beseitigung baulicher Anlagen ihr Ermessen gleichmäßig auszuüben hat. Hier hatte Behörde die Beseitigung rechtswidriger Werbeanlagen angeordnet. Dagegen wandte sich der Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz und berief sich auf eine Reihe vergleichbarer Werbelagen in der Umgebung – mit Erfolg. Denn dass die Behörde dort nicht tätig geworden war und in diesem Fall erstmals, verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, so das Gericht, das die Anordnung für offensichtlich rechtswidrig befand. Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 17. November 2022. Az. 10 B 993/22  

 

Kann der Nachbar gegen Befreiungen vorgehen? 

In bestimmten Fällen kann die Behörde ein Vorhaben im Genehmigungsverfahren von den Festsetzungen des B-Plans befreien. Ob ein Nachbar gegen eine solche Befreiung vorgehen kann, hängt davon ab, ob von nachbarschützenden Vorschriften befreit wurde. Geklagt hatte ein Nachbar gegen eine Baugenehmigung, die unter Befreiung von Festsetzungen des B-Plans über Geschosszahl und bebaubare Grundstücksfläche erteilt wurde. Diese dienten jedoch nicht dem Nachbarschutz, so das Gericht. Der Nachbar könne sich daher nur dann gegen die Befreiung wehren, wenn er infolge einer rechtswidrigen Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird. Dies verneinte das Gericht im konkreten Fall und wies die Klage des Nachbarn ab. Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 11. November 2021. Az. 9 ZB 21.2434 

Felix Semper, Rechtsanwalt bei BETHGE, Hannover 

 

Neue WEG haftet nicht für frühere WEG 

Eine bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) geht durch Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Alleineigentümers unter. Anschließend kann eine neue WEG bereits dadurch entstehen, dass neue Wohnungsgrundbücher für das betroffene Objekt angelegt werden. Die auf diese Weise neu entstandene WEG haftet nicht für Verbindlichkeiten der früheren Gemeinschaft. Hier begehrte ein Verwalter Entgeltzahlung aus seinem Vertrag mit einer früheren WEG. Nachdem diese untergegangen war, klagte er gegen die neu begründete WEG – ohne Erfolg. Für einen Übergang des Vermögens und der Passiva vom Alleineigentümer auf die neue WEG gebe es keine gesetzliche Grundlage, entschied das Gericht und wies die Klage ab. Landgericht Dresden, Urteil vom 25. November 2022. Az. 2 S 98/22 

 

Voraussetzungen eines Bedenkenhinweises      

Grundsätzlich haftet der Unternehmer bei einem Werkvertrag auch für Mängel, die auf Anordnungen des Bestellers zurückzuführen sind. Er kann sich jedoch von dieser Mängelhaftung befreien, indem er dem Besteller seine Bedenken vorab mitteilt. Dabei müssen die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Werkausführung konkret dargelegt werden. Hier hatte ein Unternehmen Wartungsarbeiten an einer Biogasanlage durchgeführt und dabei alte statt neuer Einbauteile verwendet, was den Herstellerhinweisen widersprach. Der Besteller klagte auf Ersatz der dadurch entstandenen Schäden – mit Erfolg. Der Unternehmer habe seine Bedenken nicht ordnungsgemäß mitgeteilt, so das Gericht. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2022. Az. 22 U 140/21 

Veronika Thormann, Rechtsanwältin bei BETHGE, Hannover 

  

 

F.A.Z.-Rechteck vom 16. Dezember 2022

Die heutigen Themen:

1.) Bei Vorkaufsrecht ist Ermessen auszuüben                         

2.) Folgen beiderseitiger Abstandsflächenverstöße?                  

3.) Wann liegt ein Verbraucherbauvertrag vor?               

4.) Eigenbedarfskündigung setzt Überlassungswillen voraus         

 

 

Bei Vorkaufsrecht ist Ermessen auszuüben        

In Gebieten, in denen die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, kann sie durch Satzung Flächen zur Ausübung eines Vorkaufsrechts bezeichnen. Die Ausübung dieses Vorkaufsrechts steht dabei in ihrem Ermessen. Intern kann der Gemeinderat für die Entscheidung zuständig sein und hat dann das Ermessen auszuüben. Hier hatte der Gemeinderat der beklagten Gemeinde die Ausübung des Vorkaufrechts beschlossen, ohne Kenntnis über die vom Erwerber bereits durchgeführten Renovierungsarbeiten zu haben. Dass der Gemeinderat dessen besonderes Erwerbsinteresse nicht berücksichtigt habe, begründe einen Ermessensfehler, so das Gericht, das den Bescheid der Gemeinde im Berufungsverfahren aufhob. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juli 2022. Az. 3 S 3915/21 

 

Folgen beiderseitiger Abstandsflächenverstöße? 

Die Vorschriften über Grenzabstände dienen zwar dem Nachbarschutz. Der Nachbar kann jedoch daran gehindert sein, einen Verstoß zu rügen, wenn er ebenfalls gegen diese Vorschriften verstoßen hat. Entscheidend ist hierfür, ob die Verletzungen einander entsprechen. Hier hatte sich der Antragsteller im vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Baugenehmigung seines Nachbarn für Umbaumaßnahmen gewandt und sich auf die Verletzung von Grenzabständen berufen. Da das Gebäude auf seinem Grundstück aber in vergleichbarer Weise die Grenzabstände verletze, sei das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis gestört, entschied das Gericht und wies den Antrag wegen der unzulässigen Rechtsausübung zurück. Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 30. November 2022. Az. 1 ME 97/22 

Nils Flaßhoff, Rechtsanwalt bei BETHGE, Hannover 

 

Wann liegt ein Verbraucherbauvertrag vor?     

Die Vorschriften über Verbraucherbauverträge sind nur anwendbar, wenn der Bau „aus einer Hand erfolgt“, d.h. wenn der Auftragnehmer mit der Errichtung des gesamten Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen insgesamt beauftragt wird. Es genügt nicht, dass nur Teile des Baus Auftragsgenstand sind. Hier klagte ein Auftraggeber auf Rückgewähr geleisteter Abschlagszahlungen, nachdem der Werkvertrag über Fassadenarbeiten vorzeitig beendet worden war. Bei diesem handele es sich indes nicht um einen Verbraucherbauvertrag, so das Gericht. Es verneinte daher einen Rückzahlungsanspruch aus Verbraucher-Bauvertragsrecht, sprach dem Kläger im Ergebnis aber einen Anspruch auf Rückzahlung nach freier Kündigung des geschlossenen Werkvertrages zu. Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 10. November 2022. Az. 12 U 69/22. 

 

Eigenbedarfskündigung setzt Überlassungswillen voraus    

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt vor, wenn dieser die Wohnung für sich oder seine Familienangehörigen benötigt. Der Eigenbedarf muss von einem ernsthaften Überlassungswillen getragen werden. Ein Vermieter hatte auf Räumung geklagt und die Kündigung mit der Überlassung an seinen Sohn begründet. Die beklagten Mieter widersprachen der Kündigung und zweifelten u.a. seinen Überlassungswillen an – ohne Erfolg. Zwar könne es an diesem fehlen, wenn der Eigenbedarf nur vorgeschoben wird, um einen unliebsamen Mieter loszuwerden. Dies sei hier aber nicht der Fall, entschied das Gericht, das die Kündigung für wirksam befand und der Räumungsklage stattgab. Amtsgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 25. Mai 2022. Az. 33 C 2877/21. 

Simone Engel, Rechtsanwältin bei BETHGE, Hannover 

  

 

F.A.Z.-Rechteck vom 09. Dezember 2022

Die heutigen Themen:

1.) Wann ist die Mietkaution zurückzuzahlen?                       

2.) Wer trägt die Kosten für eine Ersatzwohnung?                 

3.) Verjährung trotz fehlender Abnahme              

4.) Wann ist eine Auskunftserteilung des Bauherrn unrichtig?       

 

 

Wann ist die Mietkaution zurückzuzahlen?      

Bereits mit Leistung der Mietkaution entsteht der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung aufschiebend bedingt durch Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe des Mietgegenstandes. Fällig wird der Anspruch im Übrigen erst, wenn dem Vermieter keine Forderungen mehr aus dem Mietverhältnis zustehen, wegen derer er sich aus der Kaution befriedigen könnte. Hier hatte ein Mieter auf Rückzahlung der 2014 gezahlten Kaution geklagt, nachdem das Mietverhältnis 2020 endete. Der Vermieter verweigerte dies und verlangte Schadensersatz – ohne Erfolg. Denn etwaige Schadensersatzansprüche seien in diesem Fall erloschen, so das Gericht. Damit sei der Sicherungszweck der Kaution entfallen und der Mieter könne die Rückzahlung verlangen. Oberlandesgericht Dresen, Urteil vom 7. September 2022. Az. 5 U 816/22 

 

Wer trägt die Kosten für eine Ersatzwohnung?  

Die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen an der Mietsache hat der Mieter zu dulden. Muss er infolge solcher Maßnahmen Aufwendungen machen, kann er hierfür vom Vermieter Ersatz in angemessenem Umfang verlangen. Dies kann auch die Kosten für eine zumutbare Ersatzwohnung umfassen, wenn der Mieter die Mietwohnung nicht nutzen kann. Im Fall verlangten hatte der Mieter neben einer Wohnung einen Stellplatz angemietet. In der Wohnung fanden wegen eines Wasserschadens Erhaltungsmaßnahmen statt. Die Vermieter forderten die Zahlung der Miete für einen Stellplatz. Der beklagte Mieter berief sich auf einen Aufwendungsersatzanspruch infolge von Erhaltungsmaßnahmen an der Mietwohnung. Das Gericht stellte aber fest, dass der Mieter den Stellplatz noch nutzen konnte und daher die Miete für den Stellplatz zahlen muss. Amtsgericht Bad Urach, Urteil vom 7. März 2022. Az. 1 C 239/21 

Bettina Baumgarten, Rechtsanwältin bei BETHGE, Hannover  

 

Verjährung trotz fehlender Abnahme    

Die Verjährung von werkvertraglichen Mängelansprüchen aus einem Bauträgervertrag beginnt mit der Abnahme. Fehlt es an einer solchen, beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich auch nicht zu laufen. Der Erwerber kann sich jedoch nicht auf die fehlende Abnahme berufen, wenn er früher bereits werkvertragliche Mängelansprüche durchgesetzt hat. Im Jahr 2020 hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auf Zahlung eines Kostenvorschusses für Mängelbeseitigung geklagt. Sie hatte jedoch schon 2007 Mängel am Bauwerk gerügt, die daraufhin vom Bauträger beseitigt wurden. Zwar gab es tatsächlich keine die Verjährung auslösende Abnahme. Es sei hier jedoch treuwidrig, wenn sich die WEG auf die fehlende Abnahme berufen könne, so das Gericht. Es unterstellte die Abnahme und befand die werkvertraglichen Mängelrechte der WEG für verjährt. Oberlandesgericht Schleswig, Urteil vom 18. November 2022. Az. 1 U 42/21 

 

Wann ist eine Auskunftserteilung des Bauherrn unrichtig?  

Der Auftragnehmer eines Architektenvertrages kann vom Bauherrn die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nur verlangen, wenn die geschuldete Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt wurde und deshalb unrichtig oder unvollständig ist. Hierfür genügt ein begründeter Verdacht. Im konkreten Fall hatten die Parteien lediglich unterschiedliche Auffassungen über die anrechenbaren Kosten, die der Bauherr angegeben hatte. Dies begründe ohne weitere gewichtige Anhaltspunkte noch keinen Verdacht der Unrichtigkeit der Auskunft des Bauherrn, so das Gericht. Es verneinte daher den Anspruch auf eidesstattliche Versicherung. Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 23. November 2022. Az. 14 U 19/22  

Philipp Wegner, Rechtsanwalt bei BETHGE, Hannover