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F.A.Z.-Rechteck vom 15. Juli 2022

Die heutigen Themen:

1.) Bau- und Architektenrecht: Kein Mindestsatz bei wirksamer Honorarvereinbarung

2.) Öffentliches Baurecht: Kein Bestandsschutz bei Umbaumaßnahmen

3.) Öffentliches Baurecht: Baugenehmigung kann trotz Ausübung eines Vorkaufsrechts erlösche

4.) Wohnraummietrecht: Eigenbedarf darf öffentlichem Baurecht nicht widersprechen

 

 

Bau- und Architektenrecht: Kein Mindestsatz bei wirksamer Honorarvereinbarung
Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrags wirksam Honorare unterhalb der Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), sind sie an diese Vereinbarung gebunden. Versucht der Auftragnehmer im Nachhinein unter Berufung auf Treu und Glauben dennoch nach den Mindestsätzen der HOAI abzurechnen, ist dieses unzulässig, soweit der Auftraggeber auf die Vereinbarung vertrauen durfte. Der beklagte Auftraggeber durfte im entschiedenen Fall unter anderem auf die Vereinbarung vertrauen, weil der Architekt das mindestsatzunterschreitende Honorar zunächst selbst angeboten hatte. Die spätere Forderung des Auftragnehmers nach einem Mindestsatzhonorar war demnach bereits widersprüchlich. Zudem war der Auftragnehmer lediglich mit einzelnen Leistungsphasen anstatt mit einer Vollarchitektur beauftragt, sodass der Auftraggeber angesichts des entsprechend geringeren Honorars nicht ohne Weiteres von einer Mindestsatzunterschreitung ausgehen musste.

Praxistipp

Soll bei Festlegung der Honorare von den Mindestsätzen der HOAI abgewichen werden, empfiehlt es sich für beide Seiten, auf die Abweichung und die Gründe für diese hinzuweisen. Andernfalls drohen spätere Unsicherheiten, wenn sich eine Partei später dennoch auf die Mindestsätze nach HOAI beruft und die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung in Zweifel steht.

Autor: Philipp Wegner – wegner@bethge-legal.com

Fundstelle: OLG Celle, Urteil vom 27.04.2022, 14 U 156/21

 

Öffentliches Baurecht: Kein Bestandsschutz bei Umbaumaßnahmen
Nimmt ein Bauherr umfangreiche Umbaumaßnahmen an seinem Gebäude vor, kann er sich danach nicht mehr auf einen etwaigen Bestandsschutz berufen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn durch den Umbau das Gebäude insgesamt in erheblichem Maße verändert wurde und dies einer wirtschaftlichen Neuerrichtung gleichkommt. Ob der Umbau rechtmäßig ist richtet sich vielmehr allein nach den Vorschriften des öffentlichen Baurechts und ist im Zweifel in einem Genehmigungsverfahren durch die Behörde zu prüfen.

Praxistipp

Vor der Durchführung wesentlicher baulicher Veränderungen an einem Gebäude ist nicht nur die baurechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahmen, sondern auch der Genehmigungsstatus des Gebäudes selbst zu klären. Wenn dieses bisher Bestandsschutz genoss ist besondere Vorsicht geboten: Dann ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Bestandsschutz sich auf die bauliche Veränderung erstreckt. Klarheit kann mit einer Bauvoranfrage bei der Bauaufsichtsbehörde geschaffen werden.

Autor: Felix Semper – semper@bethge-legal.com

Fundstelle: VGH München, Beschluss vom 04.04.2022, 1 ZB 21.3217

 

Öffentliches Baurecht: Baugenehmigung kann trotz Ausübung eines Vorkaufsrechts erlöschen
Die Ausübung eines privaten Vorkaufsrechts durch die Gemeinde an einem Grundstück führt nicht dazu, dass die Frist für das Erlöschen einer Baugenehmigung gehemmt wird. Denn das Vorkaufsrecht ist ein zivilrechtlicher Vorgang, der sich nicht auf das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren auswirken kann. Gesetzliche Fristen, die das Erlöschen einer Baugenehmigung anordnen, wenn ein Vorhaben nicht realisiert wird, können im Einzelfall nur durch andere hoheitliche Eingriffe der Gemeinde gehemmt werden.

Praxistipp

Nach Erteilung einer Baugenehmigung muss deren Geltungsdauer beachtet werden. Ist diese abgelaufen, ohne dass das Vorhaben realisiert wurde, erlischt die Baugenehmigung und es muss erneut ein Antrag gestellt werden. Wird die Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgericht angegriffen, hemmt dies die Frist – anders als im Fall des Zivilprozesses über ein Vorkaufsrecht. Vor Ablauf der Fristen ist immer daran zu denken, die Möglichkeit einer Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung (z.B. § 71 Abs. 1, S. 3 NBauO oder § 75 Abs. 2 BauO NRW) zu prüfen.

Autor: Nils Flaßhoff – flasshoff@bethge-legal.com

Fundstelle: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2022, 2 S 44/21

 

Wohnraummietrecht: Eigenbedarf darf öffentlichem Baurecht nicht widersprechen
Die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs ist nur wirksam, wenn die beabsichtigte Nutzung mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Ist für eine bestimmte Nutzung eine Baugenehmigung erforderlich und fehlt es an dieser, kann die Kündigung nicht auf diese Nutzung gestützt werden. Im konkreten Fall hatte die klagende Vermieterin eine Eigenbedarfskündigung damit begründet, dass sie die vermietete Wohnung mit der Nachbarwohnung zusammenlegen wollte. Die dafür erforderliche Baugenehmigung hatte sie jedoch nicht beantragt. Dem Eigenbedarf stand somit ein öffentlich-rechtliches Hindernis entgegen.

Hinweis

Bei der Begründung von Eigenbedarfskündigungen ist nicht nur darauf zu achten, die Gründe möglichst konkret zu benennen, sondern auch darauf, ob die gewünschte Nutzung tatsächlich realisierbar ist. Erforderliche behördliche Genehmigungen sollten zeitnah eingeholt werden.

Autor: Veronika Thormann – thormann@bethge-legal.com

Fundstelle: LG Berlin, Urteil vom 26.04.2022, 67 S 10/22

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